GV-Das Wesen der Elektrizität

[ETL/GM]

Wie es zum Verstehen kam

 Meilensteine 
  • um 1170 v. Chr.: Blitzkräfte umleiten
    • Der ägyptische Pharao Ramses III. lässt zB am Tempel von Madinat-Habu vor jedem Eingangsturm zwei hohe Holzmasten mit Goldspitzen anbringen. Sie haben die Funktion von Blitzableitern (belegt durch Inschriften. an den Tempeln von Edfu und Dendera aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., dort stehen mit Kupfer beschlagene Holzstangen).

      Quelle = JEAN-CLAUDE GOLVIN COPYRIGHT © 2018

  • ab 470 v. Chr.: Atome sind Grundbausteine
    • Die Idee des kleinsten Teilchens (griechisch unteilbar also "atomos"), aus dem alles "Seiende" besteht, stammt von Leukipp aus Milet oder Abdera in Thrakien (an der Nordküste der Ägäis). Er lehrte seine Schüler: »Kein Ding entsteht planlos, sondern alles aus Sinn und unter Notwendigkeit.« Seine Thesen erklärt er mit einem mathematisch-mechanischen Weltbild.

      Um 425 übernimmt sein großer Schüler Demokrit aus Abdera (geboren um 470) das Weltbild seines Lehrers. Atome sind nach Ansicht Demokrit unterschiedlich groß und unterschiedlich schwer. Alles Zusammengesetzte entsteht durch Zusammentreten von Atomen und vergeht durch ihr Auseinandertreten. Alle Eigenschaften der Gegenstände lassen sich dieser Idee zufolge durch die unterschiedliche Anordnung der Atome, sowie deren unterschiedliche Größe, Gestalt und Lage erklären. Die Schwere, Dichtigkeit oder Undurchdringlichkeit sowie die Härte der Dinge sind nach Demokrit »primäre Eigenschaften« alle anderen, »sekundären« Eigenschaften wie Farbe, Wärme, Geruch oder Geschmack sollen Scheineigenschaften sein, die in der menschlichen Wahrnehmung begründet sind.
  • ca 350 v. Chr.: innere Kräfte
    • Seit jeher weiß man, daß Bernstein kleine Stückchen aus Haar und anderen Stoffen anziehen kann, wenn man ihn an einem Katzenfell gerieben hat. Auf die "wundersame Anziehung des Bernsteins" weist auch Plato in seinem Timaios hin.

      Platon (427 - 347 v. Chr.); Quelle: anderegg-web.ch

  • ab 675 n. Chr.: Bernstein und Energiezufuhr
    • Die vermutlich älteste Beschreibung von dieser Eigenschaft des Bernsteins stammt von einem englischen Mönch, dem Ehrwürdigen Bede (673-735), der auch die Gezeiten untersuchte, das Datum des Osterfestes für die kommenden Jahrhunderte berechnete und eine weltberühmte Kirchengeschichte Englands schrieb.

      Quelle: Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon

      Dieses Werk enthält auch eine Bemerkung darüber, daß Gagat wie Bernstein, wenn er durch Reibung erwärmt sei, alles festhalte, womit auch immer er in Berührung gebracht werde. Die Ursache der elektrischen Anziehung bringt Bede hier freilich mit der Reibung und der dabei erzeugten Wärme völlig durcheinander - eine Verwechslung, die bis zum 18. Jahrhundert immer wieder auftrat.
  • ab 1600 n. Chr.: Ηλεκτρον (Hlektron = Elektron) heißt Bernstein
    • Die gleiche Anziehung beobachtete William Gilbert (1544-1603) auch noch bei Glas, Schwefel, Wachs und bei Edelsteinen. Er meinte: „Wenn man Gagat oder Bernstein durch Reibung erwärmt, hält er alles fest. Ursache dafür ist ein Effluvium, das durch Reibung erzeugt und auf die angezogenen Stoffe übertragen wird.“ Gilbert - Hofarzt von Elizabeth I. und James I. und Präsident des Royal College of Surgeons - führte auch die Bezeichnung "elektrisch" ein, die sich vom griechischen Wort elektron (hlektron) für Bernstein ableitet.
  • ab 1672 n. Chr.: Elektrizität aus der Maschine
    • Otto von Guericke baute einen Apparat zur Elektrostatischen Aufladung von Stoffen. Er beobachtet die abstoßende Wirkung der Elektrizität (siehe Abb. Pos. a)
  • ab 1729 n. Chr.: Elektrizität in Leitungen
    • Stephen Gray entdeckt, dass sich Elektrizität mit feuchten Fäden fortleiten lässt.
  • ab 1733 n. Chr.: Zwei Arten von Elektrizität
    • Du Fay entdeckt zwei Arten von Elektrizität, die sich gegenseitig neutralisieren können und schließt daraus: „Es gibt: Harz- und Glaselektrizität“
  • ab 1743 n. Chr.: Elektrizität zur Schaustellung
    • Christian August Hausen in Leipzig baut auf Anregung seines Schülers Litzendorf eine erste Elektrisiermaschine: Eine drehbar gelagerte Glaskugel, die mit einem Kurbelgerät angetrieben wird, erzeugt Reibungselektrizität. Sein Assessor Georg Mathias Bose macht das Gerät rasch bekannt. Wenn er Gesellschaften gibt, muß eine attraktive Dame den Begrüßungskuß anbieten. Weil sie über einen Draht mit einer Elektrisiermaschine im Nebenraum in Verbindung steht, aber auf einer nicht leitenden Unterlage postiert ist, erhält der so Begrüßte einen heftigen Schlag. Bose dichtet dazu:
      
                          Ein solch bezauberndes, anbetungswürdiges Kind 
                          wird elektrifiziert, so schnell als der Wind... 
                          Berührt ein Sterblicher etwa mit seiner Hand 
                          von solchem Götter-Kind auch selbst nur das Gewand, 
                          So brennt der Funken gleich, und fährt durch alle Glieder, 
                          So schmerzhaft als es that, versucht er´s dennoch wieder.
                          
                          

      Quelle: Spektrum der Wissenschaften, 1984
      "Teile des Unteilbaren"
      Steven WEINBERG
      ISBN: 3922508669

  • ab 1745 n. Chr.: Gespeicherte Elektrizität
    • Nachdem der Leipziger Professor Christian August Hausen 1743 die erste Elektrisiermaschine gebaut hatte und diese jetzt in ganz Europa berühmt ist, versuchen der holländische Physikprofessor Pieter van Musschenbroek in Leiden und der deutsche Jurist Ewald Jürgen von Kleist in Danzig unabhängig voneinander, die mit diesen Apparaten gewonnene elektrische Ladung, die durch den ständigen Kontakt mit Luft schnell verlorengeht, im Innern eines Isolators zu konservieren. Beiden gelingt das mit Hilfe von Glasgefäßen, Kleist am 11. Oktober 1745, van Musschenbroek im Mai 1746.

      Die Kleistschen oder Leidener Flaschen, wie sie bald heißen, sind die ersten elektrischen Kondensatoren, und schon 1746 findet Benjamin Wilson auch ein mathematisches Gesetz über ihre Kapazität. Bestehen die ersten Flaschen nur aus wasser- oder quecksilbergefüllten Glasgefäßen, in die ein Draht von einer Elektrisiermaschine Ladung leitet, so geben die Engländer John Levis und der Londoner Arzt, Botaniker und Apotheker Sir William Watson ihnen bereits 1746 einen effektiveren Aufbau: Sie belegen das Glas innen und außen mit Zinnfolie.
  • ab 1752 n. Chr.: Ladungsüberschuss und Ladungsmangel
    • Die wohl spektakulärste elektrische Entladung, die man seit Menschengedenken kennt, ist bekanntlich ein Blitz. Dass Blitze nichts anderes sind als elektrische Ströme, hatte Benjamin Franklin 1752 in einem berühmten Experiment nachgewiesen.

      Er "modernisierte" Du Fays Bezeichnungssystem von 1733 für die zwei Arten von Elektrizität, indem er von Ladungsüberschuss und Ladungsmangel sprach.
  • ab 1753 n. Chr.: Messen mit dem Elektroskop
    • Der Engländer John Canton entdeckt die elektrische Influenz, zu der der Schwede Johann Carl Wilke noch im selben Jahr eine theoretische Erklärung liefert. Influenz ist die Trennung positiver und negativer elektrischer Ladung durch die Einwirkung eines elektrischen Feldes. Canton stellt sie in einem Experiment fest. An zwei nebeneinander von der Decke hängenden Leinenfäden hängt er Korkkügelchen auf. Führt er von unten einen negativ elektrisch geladenen Siegelwachsstab in die Nähe, dann entfernen sich die Kügelchen voneinander, da auf ihnen Ladungsteilung influenziert wird.

           

      links: John_Canton     rechts: Johan_Carl_Wilcke (Bildquelle Wikipedia)

  • ab 1785 n. Chr.: Elektrizität auf der Waage
    • Die wichtigste Leistung von Charles Augustin de Coulomb waren seine Arbeiten zur Elektrostatik.

      Coulomb'sche Drehwaage zum Beweis seiner erkannten Gesetzmäßigkeit

  • ab 1790 n. Chr.: Tierische Elektrizität
  • ab 1800 n. Chr.: Elektrizität aus der Säule
    • 1801 führt Alessandro (Graf) Volta in Paris vor Napoleon seinen Säulenapparat vor. Nachdem Volta im Disput mit Galvani erkannte, dass es eine Kontaktelektrizität zwischen verschiedenen Metallen gibt, entwickelte er seine Batterie durch das stapeln von Zink und Kupferscheiben in einem Glaszylinder. Zwischen den Metallscheiben lagen säuregetränkte Filzstücke.

      Damit hatte die Elektrisiermaschine eine gewaltige Konkurrenz bekommen.

  • ab 1897 n. Chr.: Elektrizität in der Materie
    • Quelle: Dr. Stefan Schürch MASSENSPEKTROMETRIE gestern - heute - morgen!

      Mit dem Elektron war das erste Elementarteilchen 1897 von J.J. Thomson durch das Vermessen von Kathodenstrahlen gefunden. Als Name setzte sich die Bezeichnung Elektron vom irischen Physiker FITZGERALD durch. Die Bezeichnung "Elektron" wurde schon 1891 vom irischen Physiker STONEY für die elektrische Elementarladung vorgeschlagen.

  • ab 1913 n. Chr.: Bild der Atome
    • Quelle: zum.de

      Niels Bor erinnerte sich gerne an den Besuch seines Studienfreundes H.M. Hansen. Bei den Erinnerungen ging es wohl auch um die Zahlenreihen" eines Johann J. Balmer. Bor erinnerte sich: "In dem Moment, in dem ich Balmers Formel sah, wurde mir alles klar!"

Wie es zur Erscheinung kommt

Elektrizität tritt immer dann in Erscheinung, wenn elektrische Ladungen getrennt werden.

  • Bei der Ladungstrennung entsteht die elektrische Spannung.
  • Die Ladungstrennung erfordert immer Arbeit (= Energie).

Wie können Ladungen getrennt werden?

durch Reibung

Unklar ist noch immer, warum die Elektronen beim Reiben eines Bernsteins vom Fell zum Bernstein wandern, während sie zur Seide wandern, wenn Glas mit Seide gerieben wird. Die Frage führt in die Oberflächenphysik von kompliziert aufgebauten Festkörpern wie zB Haare oder Seide. In welcher Weise sich die Ladungen trennen, können bisher nur Versuche zeigen. Daraus ist eine Reihung von Stoffen entstanden, die sogenannten von reiben = griechisch "tribein"triboelektrische Reihe:

Kaninchenfell - Lucit (eine plexiglasähnliche Substanz) - Glas - Quarz - Wolle - Katzenfell - Seide - Baumwolle - Holz - Bernstein - Harze - Metalle - Teflon.

Durch Chemische Lösungen

Metalle werden in zwei Gruppen eingeteilt, zwischen denen ein entsprechender Potentialunterschied durch Berührung mit einem Elektrolytenleitende Flüssigkeit oder Gel,
mit der Fähigkeit, unedle Metalle aufzulösen
erzeugt wird:

    

Galvanische Elemente

am Beispiel des Zink-Kohle-Elements:

By Jerry Crimson Mann; Übersetzung von Andel Früh [CC BY-SA 2.5], from Wikimedia Commons

Akkumulatortechnik

Schematischer Aufbau einer Lithium-Ionen-Zelle (positive Elektrode: LiCoO2; negative Elektrode: Li-Graphit), Quelle: Wikipedia

Im geladenen Lithium-Ionen-Akkumulator wird die elektrische Potentialdifferenz der Elektroden in einem elektrochemischen Prozess mit Stoffänderung der Elektroden zur Stromerzeugung genutzt. Im Akkumulator können Lithiumionen (Li+) frei durch den Elektrolyten zwischen den beiden Elektroden wandern, wovon sich der Name des Akkus ableitet. Im Gegensatz zu den Lithiumionen sind die Übergangsmetall- und Graphit-Strukturen der Elektroden ortsfest und durch einen Separator vor einem direkten Kontakt geschützt. Die Mobilität der Lithiumionen ist zum Ausgleich des externen Stromflusses beim Laden und Entladen nötig, damit die Elektroden selbst (weitgehend) elektrisch neutral bleiben.

Die negative Elektrode ist eine Lithium-Kohlenstoffverbindung (LixCn, wobei Lithium als Kation vorliegt. Beim Entladen gibt diese sogenannte Interkalationsverbindung Elektronen ab, die über den externen Stromkreis zur positiven Elektrode fließen. Gleichzeitig wandern gleich viele Li+-Ionen aus der Interkalationsverbindung durch den Elektrolyten ebenfalls zur positiven Elektrode. An der positiven Elektrode nehmen nicht die Lithiumionen die Elektronen des externen Stromkreises auf, sondern die dort vorhandenen Strukturen der Übergangsmetallverbindungen. Je nach Akkumulatortyp können das Cobalt-, Nickel-, Mangan- oder Eisen-Ionen sein, die ihre Ladung ändern. Das Lithium liegt im entladenen Zustand des Akkumulators in der positiven Elektrode weiterhin in Ionenform vor.

Brennstoffzelle

In Brennstoffzellen wird durch die Reaktion von Sauerstoff mit einem Brennstoff (z.B. Wasserstoff) chemische Energie in elektrische Energie umgewandelt.

Eine Zelle besteht aus zwei Elektroden, die durch einen Elektrolyten (Ionenleitung) getrennt sind, um eine unerwünschte Knallgasreaktion zu verhindern. Der an der Anode (+ Pol) zugeführte Wasserstoff oxidiert aufgrund einer katalytisch aktiven Platinschicht (in Niedertemperaturbrennstoffzellen) in seine Bestandteile. Je Wasserstoffmolekül (H2) fließen, angetrieben durch die auftretende Potenzialdifferenz, zwei Elektronen in den äußeren Stromkreis, während zwei Protonen (H+-Ionen) durch den negativ geladenen Elektrolyten hindurch zur Kathode diffundieren. Der an der Kathode zugeführte Sauerstoff wird mit den Elektronen aus dem Stromkreislauf und den Wasserstoffprotonen unter Wärmeentwicklung zu Wasser reduziert, das als Abfallprodukt aus der Zelle abgeführt wird.

Je nach Art der Zelle und je nach den Betriebsparametern beträgt die tatsächliche elektrische Spannung 0,6 - 0,9 V. Brennstoffzellen erzielen Wirkungsgrade ca. 70%.

Durch Temperatureinfluss

An der Kontaktstelle zweier Metalle können durch die Temperaturschwingung Elektronen vom höherwertigen Metall in das niederwertige Metall übertreten. Die daraus erreichte Ladungsverschiebung wirkt äußerlich als Thermospannung.

Unter Lichteinfluss

Dank der Energie der Photonen können Elektronen durch die Sperrschicht beschleunigt und in den äußeren Stromkreis gelangen.

Unter Druck

von drücken = griech. "piézein" Piezoelektrizität ist eine Ladungstrennung an der Oberäche von bestimmten Kristallen infolge einer Verformung (Deformation). Durch die Deformation werden in piezoelektrischen Kristallen elektrisch positive und negative Gitterbausteine so verschoben, dass sich an den Oberflächen Ladungsunterschiede ergeben.

Quelle: learnattack.de/physik/piezoelektrizitat

Wichtige piezoelektrische Kristalle sind Quarz, Turmalin, Seignettesalze und Zinkblende. Auf der Piezoelektrizität basieren verschiedene Drucksensoren.

Die Umkehrung der Piezoelektrizität ist die Formänderung eines Kristalls durch Anlegen von elektrischen Feldern. In der Technik nutzt man dies z. B. in Quarzuhren, Mikromotoren (Aktoren) und Lautsprechern für Schall und Ultraschall.

Durch "Induktion"

Folien animiert